Die Datenlage zu Cybergewalt in Österreich ist noch nicht ausreichend untersucht. Eine Bestandsaufnahme des Forschungszentrums Menschenrechte der Universität Wien und der Weisser Ring Verbrechensopferhilfe haben 2018 die ersten umfassenden Untersuchungen vorgenommen. Aus dieser lassen sich folgende allgemeine Aussagen ableiten: Cybergewalt betrifft Männer und Frauen fast im gleichen Ausmaß. Unterschiedlich sind sie jedoch von Formen von Cybergewalt betroffen: Frauen sind deutlich häufiger von Formen sexualisierter Cybergewalt konfrontiert. Außerdem sind Frauen häufiger psychisch durch diese Erfahrungen belastet.
Verschiedene internationale Studien kommen zu dem Ergebnis, dass ca. jede dritte Frau von Cybergewalt betroffen ist. Junge Frauen, insbesondere in der Altersgruppe unter 35 Jahren, sind besonders häufig betroffen (fast jede zweite Frau), aber auch das Engagement (ehren- oder hauptamtlich) sowie die sexuelle Orientierung spielen eine Rolle dabei, wie oft Frauen und Mädchen von Cybergewalt betroffen sind.
Die Kanäle, auf denen Übergriffe passieren, sind fast genauso zahlreich wie die Formen der Gewalt und genauso schnelllebig und wandelbar wie das Internet im Allgemeinen. E-Mails und Messenger-Dienste wie Whatsapp, aber auch Facebook sind zentrale Schauplätze der Cybergewalt. Dies korreliert mit der hohen Nutzungsrate dieser Plattform durch viele Menschen. Andere soziale Medien wie YouTube, Instagram, Snapchat, und Dating-Apps scheinen erst mit einigem Abstand zu den Erstgenannten virtueller Ort für Übergriffe zu sein Allerdings waren diese zum Studienzeitpunkt (2018) noch nicht so populär. Allerdings kommen bestimmte Formen der Cyberbelästigung, wie anzügliche Nachrichten und persönliche Beschimpfungen bspw. auf Datingplattformen am dritthäufigsten vor.
Prinzipiell kann jeder digitale Ort, jeder digitale Kanal für Gewalttaten missbraucht werden. Deshalb ist es wichtig, mit Kindern und Jugendlichen über ihr Verhalten im Internet zu sprechen, sie dafür zu sensibilisieren und ihnen zu zeigen, dass sie überall und immer Rechte haben, die nicht überschritten werden dürfen.
Auch wenn das Internet kein rechtsfreier Raum ist, ist die Verfolgung von Täter*innen nicht einfach: Die Täter*innen sind mehrheitlich unbekannte Personen.
Bei Hate Speech oder Hassrede handelt es sich um Beschimpfungen oder Beleidigung, die auf Basis von Vorurteilen bzw. der (angenommenen) Identität einer Person oder Gruppe geäußert werden. Zugehörigkeitsmerkmale für die von Hassrede Betroffenen sind Herkunft und Kultur, Geschlecht, sexuelle Orientierung, körperliche oder intellektuelle Beeinträchtigung, Religion oder Weltanschauung, politische Weltanschauung oder Alter.
Cyber-Mobbing sind analog zum Mobbing Ausgrenzung, Belästigung und Verleumdung einer oder mehrerer Personen durch eine Person oder Gruppe mit dem klaren Ziel, diese Person oder Gruppe bewusst und vorsätzlich zu verletzen. Im schulischen Kontext spricht man meist von Cyber-Bullying.
Beispiele für Cyber-Mobbing:
• die Verbreitung von Gerüchten oder falschen Behauptungen;
• das öffentliche Bloßstellen einer Person, indem bspw. intime Informationen über das persönliche Leben, bspw. bezogen auf Familie, Sexualleben oder Erkrankungen, online verbreitet werde;
• der Ausschluss aus Whatsapp-Gruppen und anderen virtuellen Gruppen;
• andere Formen von Cybergewalt, wie bspw.Doxxing oder Deep Fakes können ebenfalls Teil von Cyber-Mobbing-Strategien sein.
Bei Cyber-Stalking handelt es sich, analog zum Offline-Stalking um die hartnäckige Verfolgung und/oder Belästigung einer Person über mehrere Wochen. Online- und Offline-Stalking gehen oft miteinander her. Die stalkende Person ist der betroffenen Person nicht unbedingt bekannt.
Das Internet bietet viele Möglichkeiten, Menschen auszuforschen. Das gezielte Sammeln & Veröffentlichen von personenbasierten/intimen Daten nennt man Doxxing. Die gesammelten Daten können auch als Basis für Identitätsraub dienen: Ein Fake-Profil wird erstellt, um bspw. die Familie oder Freund*innen der Betroffenen zu beleidigen oder Falschinformationen zu verbreiten.
Unter Jugendlichen ist es derzeit ein Trend, zu filmen wie jemand geschlagen/verprügelt wird und das entsprechende Material zu veröffentlichen. Dies kann Teil von Cyber-Mobbing sein.
Kettenbriefe, die über Whatsapp und andere Messenger-Dienste verschickt werden, verbreiten sich viel schneller als die postale Form der Kettenbriefe. Dass Kettenbriefe oft Drohungen für den Fall einer Nicht-Weiterleitung enthalten, kann für Jugendliche sehr belastend sein, da sie die Bedrohung nicht gut einschätzen können.
Im Internet gibt es für alle Lebenslagen und für jede Frage Foren. Problematisch sind sog. Selbstmordforen, auf denen depressive oder psychisch erkrankte Jugendliche Selbstmord verherrlichen und sich gegenseitig zu selbstverletzendem Verhalten ermutigen. Dies sind bspw. pro-ana- und pro-mia-Foren, in denen Magersucht bzw. Bulimie verherrlicht wird und Strategien ausgetauscht werden, wie man immer noch weniger essen und die Essstörung versteckt werden kann. Auch wenn Online-Foren Jugendlichen Halt geben und bspw. Interessen und Hobbies geteilt und ausgeübt werden können, ist sehr darauf zu achten, welche Interessen in einem Forum im Vordergrund stehen.
• Cybergrooming: digitale Kontakt-Anbahnung durch Erwachsene mit dem Ziel, Kinder und Jugendliche sexuell zu belästigen oder zu missbrauchen. Allein die Kontaktaufnahme mit sexuellen Absichten ist strafbar. Passiert oft unter falscher Identität, indem die erwachsenen Täter*innen bspw. in ihrem Profil angeben, dass sie 14 Jahre alt sind und passende Fotos aus dem Internet verwenden.
• Sexting ist dann problematisch, wenn eine Person ungefragt anzügliche Nachrichten bzw. freizügige Fotos erhält. Sexting kann auch Teil einer gelebten Sexualität sein – allerdings nur, wenn es von beiden Seiten gewollt ist. Dabei sollte man sich jedoch immer bewusst sein, dass die andere Person das Bildmaterial auch dann noch besitzt, wenn man getrennte Wege geht oder dass Bilder ohne die eigene Zustimmung weitergeleitet oder veröffentlicht werden können. Auch wenn das unter strafbaren Umständen passiert, ist ein einmal online veröffentlichtes Bild nicht unbedingt überall löschbar, und man weiß nie, wer sich das Bild vor einer Löschung schon heruntergeladen hat.
Über das Recht am Bild gibt es viele Diskussionen. Im Bereich Sexting ist auch relevant, ob die Abbildungen Minderjährige zeigen, da der Besitz von pornografischen Darstellungen Minderjähriger verboten ist. Wenn mündige Minderjährige (über 14 J.) sich im beiderseitigen Einverständnis Nacktbilder schicken, bleibt dies straffrei. Die Weiterleitung ist aber weiterhin verboten.
• Dickpics sind eine Form des Sextings. Hier geht es um das ungefragte Zusenden der Abbildung eines erigierten Penis. Das Versenden von Dickpics ist in Österreich aktuell nicht strafbar, aber eine Gesetzesänderung wird diskutiert. Wenn die Zusendung wiederholt und nicht-konsensuell erfolgt, kann dies aber ggf. durch den Cyber-Stalking-Paragrafen verfolgt werden.
• Sextortion oder Sex-Scam: Sextortion setzt sich aus den englischen Begriffen für Sex und extortion (dt. Erpressung) zusammen. Bei dieser Form der Cybergewalt wird die betroffene Person mit „kompromittierendem“ Material wie Bildern oder Videos erpresst. Es kann sich aber auch um eine Betrugsmasche handeln, bei der das Gegenüber im Videochat aufgefordert wird, sich bspw. selbst zu befriedigen oder nackte zu posieren. Diese Situation wird heimlich gefilmt und später als Erpressungsmaterial eingesetzt.
• Deep Fakes: Mithilfe von Foto/Video-Montage wird kompromittierendes Material, meist mit der Intention der Rufschädigung erstellt. Deep Fakes sind aufgrund der bereits durch kostenlose Apps verfügbaren technischen Möglichkeiten schwer von echtem Bild- oder Videomaterial zu unterscheiden.
• Revenge porn oder Rachepornos werden häufig von Ex-Partnern oder Ex-Liebhabern verwendet. Revenge porn kann etwa durch Deep Fake hergestellt werden, indem bspw. das fotografierte Gesicht der Betroffenen in einem vorhandenen Pornofilm montiert wird. Es kann sich aber auch um die Verbreitung von Material handeln, das während der Beziehung (konsensuell) erstellt wurde.
• Upskirting ist das unerlaubte, meist heimliche, Anfertigen von intimen Bildaufnahmen.